Christus als „Schmerzensmann“ mit Kelch
Um 1400 wurden im Erfurter Dom im nördlichen Teil des Chorpolygons Fensterbahnen mit zwanzig figürlichen Darstellungen eingesetzt. Unter diesen Darstellungen finden sich - neben vier Propheten, die zwölf Apostel und zwei Bischöfe - auch eine Marien- und eine „Schmerzensmanndarstellung“, und zwar in der vierten und fünften Fensterzeile zwischen den Ganzfiguren der Apostel Andreas und eines nicht zu benennenden Apostels mit einem Buch. Die beiden Apostel und Maria wenden sich dem „Schmerzensmann“ zu lenken die Aufmerksamkeit des Betrachters gezielt auf die Person des „Schmerzensmannes“. Der ganzfigurige „Schmerzensmann“ ist in seiner Darstellung sehr stark auf die Wunden, die sein Körper seit der Kreuzigung und dem Lanzenstoß aufweist, konzentriert. Seine linke Hand liegt an der Seitenwunde. Der Blick ist nach unten gerichtet, wo das Blut der Seitenwunde in einen neben dem rechten Fuß stehenden Kelch fließt. Sowohl in den Händen als auch in den Füßen sind die Wundmale deutlich sichtbar. Die Darstellung stellt den „Schmerzensmann“ formal so dar, wie er vom Kreuz abgenommen wurde, also mit einem Lendentuch bekleidet, der Dornenkrone auf dem Kopf und den fünf Wunden. Doch wäre sie als Darstellung des vom Kreuz Abgenommenen falsch interpretiert, denn der hier Dargestellte lebt, er beugt sich leicht herab und blickt zum Kelch, der einerseits den formalen Rahmen sprengt und andererseits das Sinn und Ziel des „Blutens“ augenfällig werden läßt. Der hier Dargestellte ist also mit Fug und Recht als ein „eucharistischer Schmerzensmann“ zu bezeichnen.