Triptychonfragment - Tod Mariae
Nicht aus biblischer sondern aus apokrypher überlieferung stammen die Motive, die in zahlreichen Darstellungen des Todes der Maria - so auch in der vorliegenden - verarbeitet sind. Sie lassen drei Handlungsmomente erkennen. Der Blick fällt zunächst auf das im Zentrum stehende Sterbebett, auf dem Maria von Jüngern betrauert liegt. Er ruht dann auf Christus, der hinter dem Bett steht und die nach dem Tod den Körper verlassende (personhaft gedachte) Seele der Mutter hält. Er erfaßt schließlich zwei Engel, von denen einer die ihm übergebene Seele der Maria in den Himmel trägt. Der Tod, das Entweichen der Seele und der Weg der Seele in den Himmel sind in einer Bildfläche vereinigt. Daß, was für viele neuzeitliche Betrachter befremdlich und anstößig wirkt, nämlich das sichtbare Entweichen der Seele und ihr personhaft gedachter Weg in den Himmel, stellte für Christen lange Zeit kein Problem dar. Denn zum einen ist auf eine breite überlieferung derartiger Darstellungen zu verweisen und zum anderen läßt auch das konkrete Beispiel keine Zweifel erkennen. Die im byzantinischen Raum geschaffene und wahrscheinlich als Mitteltafel eines Triptychons verwendete Darstellung vom Ende des 10. Jahrhunderts gelangte ins Abendland und wurde hier in den Einband eines in der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel liegenden Evangelistars, d. h. eines liturgischen, für den öffentlichen Gebrauch bestimmten Buches, eingearbeitet.